Ein neuer Ansatz zum Monitoring elektrischer Verteilnetze

  Scheme of the bottom-up, data-driven approach for distribution system monitoring Urheberrecht: © RWTH Aachen

Unsere  Überwachungslösung für Verteilnetze basiert auf einem skalierbaren und datengetriebenen Ansatz. Das Verteilnetz wird in Abschnitte unterteilt und die Abschätzungen werden für jeden Abschnitt einzeln durchgeführt. Die Überwachung konzentriert sich auf die Abschätzung des Spannungsniveaus anstatt des gesamten Systems, da es sich hierbei um die wichtigste Größe für die meisten Anwendungen handelt. Durch die Verwendung datengetriebener Techniken, wie künstliche neuronale Netze (ANN), ist es möglich, die Abschätzung in Echtzeit durchzuführen. Dabei ist kein Systemmodel notwendig und es werden sowohl im MS- als auch im NS-Bereich nur sehr wenige Messungen benötigt.

  Labor setup zum Testen des Prototyps Urheberrecht: © RWTH Aachen

Das Konzept

Die grundlegende Idee ist es, eine skalierbare und kostengünstige Lösung anzubieten, welche die Tür zur Entwicklung von Überwachungs- und Automatisierungssystemen in Verteilnetzen öffnet, da die Kosten die Anwendung des klassischen Ansatzes verhindern. Anstatt ein sehr detailliertes und genaues Bild zu produzieren (z.B. durch Zustandsschätzung (State Estimation) des Systems) gibt unser Ansatz dem Netzbetreiber einen groben Überblick über die Verhältnisse im Netz. Genauer gesagt, es ermöglicht dem Netzbetreiber festzustellen, ob eine Verletzung des Spannungsbandes vorliegt. Im zweiten Schritt ermöglicht es dem Netzbetreiber ohne große Investitionen festzustellen, welches die Schwachpunkte des Netzes sind. Unter diesem Gesichtspunkt bildet unsere Lösung einen erschwinglichen Zwischenschritt im langfristigen Vorhaben, das Verteilnetz zu automatisieren. Die Abschätzung des Phasenwinkels der Spannung wird absichtlich außen vor gelassen, da dieser Wert in den meisten Fällen für den Netzbetreiber unwichtig ist. Die von der Überwachungslösung bereitgestellten Informationen sind sowohl für die Energieversorger als auch die Verbraucher nützlich: die Versorger können damit nicht nur die Betriebsgrenzen des Netzes besser identifizieren und entsprechende Korrekturmaßnahmen vornehmen, sondern auch den Netzausbau besser planen. Es ist zu erwarten, dass dies die Energieversorgungsqualität für den Verbraucher verbessert.

Die Hauptmerkmale unserer Überwachungslösung

  • Nur sehr wenige Messungen werden benötigt: Abhängig von der Anzahl und Genauigkeit der Messungen verbessert sich die Genauigkeit der Abschätzung, aber unbedingt notwendig sind nur die Messungen von Spannung und Strom am Transformator.
  • Konzentration auf die Spannungsgröße anstatt Zustandsschätzung (State Estimation): Der Phasenwinkels wird bewusst nicht abgeschätzt, um das Problem zu vereinfachen.
  • Flexible und skalierbare Architektur: Das Gesamtsystem ist aus einer Anzahl von Abschätzungsmodulen zusammengesetzt (z.B. lokale Abschätzung wie im Bild gezeigt, für jeden Abschnitt einzeln), die alle unabhängig voneinander arbeiten; die Gesamtarchitektur kann durch zusätzliche Module erweitert werden.
  • Komplett datengetrieben: Die Netzbetreiber müssen keine Netzdaten (wie Topologie und Parameter) in der Aufbauphase bereitstellen um die Abschätzeinheiten zu konfigurieren. Auch während des Echtzeitbetriebs werden keine Netzparameter benötigt. Unempfindlich gegenüber Messstörungen: Die in den Abschätzmodulen verwendeten ANNs werden so trainiert, dass sie selbst bei Messstörungen noch sinnvolle Ergebnisse liefern.

Um zuverlässige Schätzungen in MS-Netzen sicherzustellen, in denen die Rekonfiguration üblich ist, sind die lokalen MS-Abschätzmodule mit einer Einheit zur Konfigurationsidentifikation (CI) ausgestattet die es ermöglicht, die aktuelle Netzkonfiguration anhand der Messwerteingaben zu ermitteln.

Entwicklungsstand

Zurzeit wird im Labor des ACS-Lehrstuhls ein Prototyp des Abschätzmoduls gebaut. Zum Sammeln und Visualisieren der Daten wurde eine webbasierte Ad-hoc-Lösung entwickelt. Diese Visualisierung ist nicht nur für die Entwicklung und den Feldtest nützlich, sondern auch für die Wartung, da es von jedem existierenden Visualisierungssystem unabhängig ist. Parallel zur beschriebenen webbasierten Visualisierung kann eine Schnittstelle zu SCADA-Systemen implementiert werden, welche Protokolle wie IEC61850 oder DNP3 verwendet. Die Verbindung zu einem SCADA-System wäre sowohl lokal als auch global durch den Cloud-Dienst erreichbar.

Gridhound UG (haftungsbeschränkt) Startup

Im Januar 2015, wurde die Gridhound UG (haftungsbeschränkt) als Spin-Off des ACS Lehrstuhls gegründet um einen innovative Netzüberwachungs- und Kontrolldienst zu entwickeln und zu vertreiben. Der Fokus liegt dabei auf den Verteilnetzen. Die Hauptidee ist es, den oben beschriebenen datengetriebenen Ansatz in einer Cloud-Umgebung einzusetzen und diesen als Monitoring as a Service (Maas) den Netzbetreibern anzubieten. Die Firma wurde bereits von FINODEX (Future Internet Open Data Expansion), eines von 16 von der EU geförderten Future Internet Startup-Beschleunigungsprojekten, zur Förderung ausgewählt. Das Ziel dieses Programms ist es kleine, mittelständische und Webunternehmen, welche die FIWARE Technologie und Open Data verwenden, bei der Entwicklung von Produkten und Diensten zu unterstützen.

Quellenangabe

[1] M. Ferdowsi, A. Benigni, A. Löwen, B. Zargar, A. Monti, and F. Ponci, “A Scalable Data-driven Monitoring Approach for Distribution Systems,” IEEE Transaction on Instrumentation and Measurements, Special Issue of I2MTC 2014, Early access available online.

[2] M. Ferdowsi, A. Benigni, A. Löwen, P. McKeever, A. Monti, and F. Ponci, “New Monitoring Approach for Distribution Systems,” 2014 IEEE International Instrumentation and Measurement Technology Conference (I2MTC), 12-15 May 2014.

[3] M. Ferdowsi, B. Zargar, F. Ponci and A. Monti, “Design Considerations for Artificial Neural Network-based Estimators in Monitoring of Distribution Systems,” 2014 IEEE International Workshop on Applied Measurements for Power Systems (AMPS 2014), 24-27 September 2014, Aachen, Germany.